Nach außen hin sind die Pfadfinder in erster Linie ein Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche. Zeit, mit diesem Vorurteil aufzuräumen! Eine Ode an alle „Adults in Scouting“ unserer Gruppe. Eine Einladung, mitzumachen. Ein Dankeschön an alle!
Erwachsene Pfadfinder bei den 32ern
Es gibt ca. 85.000 derzeit registrierte – also aktive – Pfadfinder in Österreich in 300 Pfadfindergruppen (Quelle: www.ppoe.at). Unsere Pfadfindergruppe hat etwa 100 Kinder und Jugendliche. Wie viele Erwachsene, schätzen Sie, sind im Hintergrund einer Pfadfindergruppe aktiv? 5, 10, 20?
In unserer Gruppe sind es geschätzte 40 eifrige Händepaare, die Pfadfinderei als freudvolle und vielseitige Freizeitbeschäftigung sehen und die Gruppe unterstützen möchten – und es könnten stets mehr sein. Wie kommt man als Erwachsener zu diesem Hobby? Viele bleiben nach der Jugend ihrem Hobby und der Gemeinschaft treu. Sie geben in ihrer Freizeit (ehrenamtlich) die Erfahrungen und den „Spirit“ der Pfadfinderei aus ihrer eigenen Kindheit an die Kinder und Jugendlichen der heutigen Zeit weiter. Oder sie sind als Neuling dazu gestoßen, als Interessierter, oder sie haben die Pfadfinderei nach Jahren der Abwesenheit wieder neu entdeckt – sie alle haben Feuer gefangen.
Was ist das Feuer der Pfadfinderei für Erwachsene? Es ist wohl einerseits eine Art Tugend oder eine Vision, die Pfadfinderwerte weiterzugeben. Aber das alleine genügt doch nicht. Es ist auch eine Leidenschaft, ein Hobby – für alle, die gerne aktiv Gutes tun, mit Menschen zusammen arbeiten, sich selbst entdecken wollen und in einer (inter)nationalen Gemeinschaft aufgehoben sein wollen. Für Menschen jeden Alters, jeder Religion, jeglicher Herkunft, wie auch immer die körperliche Verfassung ist.
In unserer Gruppe sind derzeit 13 erwachsene Frauen und Männer mit an die hundert Kindern und Jugendlichen wöchentlich aktiv und unterwegs – im Pfadfinder-Jargon sagt man, sie führen und leiten die Kinder und Jugendlichen. Und mindestens ebenso viele Erwachsene halten im Hintergrund die Organisation am Laufen. Jeder hat seine eigenen Gründe, warum er/sie noch immer dabei ist, aber sie sind immer ähnlich: in der Freizeit mal rauskommen aus Wien, Spaß haben, etwas erleben, kreativ sein, aktiv sein, über den Tellerrand hinausschauen, Nützliches tun…
Und was tun wir so?
Hier sind einige der Tätigkeiten aufgezählt, wo Erwachsene bei uns Hand anlegen: Zelte flicken, Pfadfinderführer weiterbilden, Kuchen backen, Material aussuchen und einkaufen, Äxte schleifen, Zeltheringe geradebiegen, Material für Lager von A nach B transportieren, Verpflegung einkaufen, Auslandslager planen, Verantwortung auf Großgruppenlagern übernehmen, auf Lagern Kranke zum Arzt fahren, Sponsoren suchen, Kassabuch führen, basteln, organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen für die Gruppe schaffen, Homepage betreuen, fotografieren, am Lager vergessene Gummistiefel kaufen, Wunden verarzten, ein Sportevent planen, Geschichten vorlesen, Ideen liefern damit die Jugendlichen selbst Programm machen können, Wettbewerbe leiten, Mentoring, Schiedsrichter spielen, trösten, Mediation, Wanderungen planen und vorher abgehen, Speisepläne erstellen, Hauptverantwortlicher für Lager sein, am Erntedankfest ausschenken, Gitarre spielen, Feuer neuaufbauen wenn die Kinder es nicht können, Gute Nacht sagen, im Wald stehen und auf die nächste Gruppe bei deiner Station warten, mit dem GPS navigieren, Leute um Hilfe fragen. Verantwortung für sein Tun übernehmen.
Der Verein bildet das Dach, die Menschen machen das Programm.
Die Pfadfinderbewegung wurde von Baden-Powell mit dem Hintergedanken gegründet, Kindern und Jugendlichen friedvolle, in die Natur integrierte Aktivitäten zu bieten. Kaum war seine Idee in der Welt verbreitet, beschäftigte er sich bereits mit der pädagogischen Ausbildung der „scout leaders“, den Pfadfinderführern. Der Begriff „Führer“ ist in Österreich historisch gesehen problembehaftet, doch er bedeutet für uns in keinem Fall Diktatur. Er steht als Synonym für Wegbegleiter, für jemanden, der einem den Weg zeigt, den man dann selbst geht. Theoretisch gesehen gibt es meiner Ansicht nach zumindest drei Aspekte, die jeden Pfadfinderführer in seiner Rolle prägen:
- Kreatives, abwechslungsreiches Programm zusammen zu stellen, aufbauend auf den Werten der Pfadfinderbewegung und den Traditionen der Gruppe: Der vordergründige Aspekt unseres Tuns. Wir haben uns Techniken angeeignet oder bei unseren damaligen Pfadfinderleitern abgeschaut, die uns ganze Zeltstädte errichten lässt und wir gestalten Programm, das zum Frieden erzieht. Im Gruppenrat (alle Pfadfinderführer) und im Elternrat (quasi ein Aufsichtsrat) entscheiden wir demokratisch über das Heute und die Zukunft der Pfadfindergruppe, als Mitarbeiter („zbV“) unterstützen wir das Tun aller Mitglieder. Das Ganze vor dem Hintergrund „mach mit“ statt „tu das“ – gemeinsames learning by doing (dt.: Lernen durchs Tun). Die Pfadfinderführerausbildung baut auf Baden-Powells Gedanken auf und wird auch heutzutage stets weiterentwickelt.
- Als Mensch in Interaktion mit den Kindern/Jugendlichen zu treten – mit all seinen Stärken und Schwächen: So viel Zeit miteinander zu verbringen und eine wesentliche erzieherische Rolle im Leben der Kinder/Jugendlichen einzunehmen, bedeutet ohne Zweifel auch, sich auf menschlicher Ebene zu begegnen. Keine Frage, es gibt immer wieder Zeitpunkte im Leben eines Pfadfinderführers, da wird man mit eigenen Grenzen konfrontiert und man ist gefordert, selbst zu lernen und neue Wege einzuschlagen. Interaktion bedeutet auch respektvoller Umgang mit allen. Alle sind anders – alle sind auch gleich. Ist man mit offenen Augen und Ohren unterwegs, lernt man stets dazu. Auch oder oft gerade von Kindern.
- In Interaktion treten und Beziehungen auch zu den „Pfadfinderkollegen“, den Gleichaltrigen, pflegen: Hier bist du nicht alleine. Wir arbeiten gemeinsam an unseren Projekten. Wir finden Ideen, treffen Entscheidungen, packen gemeinsam mit an. Daraus resultieren Erlebnisse, Erinnerungen – definitiv ein hoch motivierender Faktor! Die Gemeinschaft endet nicht bei den Kindern/Jugendlichen, wir leben sie auch als Erwachsene und wir er-leben gemeinsam, wie aus wenig viel gestaltet wird.
Realistisch betrachtet, Ehrenamtlichkeit ist keine Selbstverständlichkeit. Tatsächlich sind die Wenigsten ihr ganzes Leben lang aktiv in der Pfadfindergruppe tätig. Wenn man es in der Jugend geschafft hat, den unzähligen Wortmeldungen Gleichaltriger („Pfadfinder? Ist ja voll uncool“) entgegenzutreten – steht man spätestens als 20-jähriger vor der Wahl: mach ich weiter als Pfadfinderführer oder hör ich auf? Neben Ausbildung, Arbeit und Kindern steht man als Erwachsener immer wieder vor der Situation, die eigene Freizeit und auch die Pfadfinderei darin einteilen zu müssen. Schließlich sind wir im Regelfall auch anderweitig in unserer Freizeit recht aktiv und haben andere Freundeskreise, die wir auch gerne sehen.
Wenn man 1+1 zusammenzählt, ist die klare Konsequenz: eine Pfadfindergruppe kann nicht von 10 Erwachsenen alleine erhalten werden. Es muss ressourcentechnisch immer so sein, dass viele Menschen zusammen helfen, um viel zu bewegen. An dieser Stelle sei ein herzliches Dankeschön an all jene ausgesprochen, die unsere Gruppe zu dem machen, was sie ist – eine lebendige Gemeinschaft an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen!
Wie wird man als Erwachsener bei den 32ern Pfadfinder?
Helfende Hände sind immer gerne gesehen, nicht nur im Betreuungsteam. Die Türen im 32er-Team stehen immer offen, um vorbei zu kommen, reinzuschnuppern, auszuprobieren, Pfadfinderluft zu schnuppern. Es beginnt, so wie auch neue Kinder bei uns beginnen: ein Anruf oder eine Mail an das Betreuungsteam genügt. Schließlich sind Erwachsene auch nur ältere Kinder!
Lust auf’s andocken?