Hommage an versteckte Strände auf kleinen Inseln
von Sebi Hoffer.
Der Himmel über Kiel hatte sich schon dunkelblau gefärbt als sechsundfünfzig 32er*innen die ersten Schritte auf ihren Schiffen Hendrika Bartels und Twister machten. Die zwei Schoner schwankten sanft im Kieler Hafen und nach eineinhalb Jahren war es soweit: der Jubiläumstörn anlässlich zum 60. Geburtstag der Gruppe 32 fand seinen Anfang.
Die Aufregung war groß als wir uns auf unsere Kajüten aufteilten und manche sich zum ersten Mal den Kopf anschlugen. Wir erkundeten unsere Schiffe und freundeten uns mit den hunderten von Tauen auf den Schiffen an. Gut eingerichtet in der Kabine die ich mir mit meinen besten Freundinnen teilte, ging es für mich bald ins Bett und am nächsten Morgen begannen wir Richtung Eckernförde zu segeln.
Die Sonne begleitete uns die ersten Tage lang und so auch auf unserem ersten Segeltrip. Nach einer kurzen Einführung durften wir auch schon an die Taue und unsere Matros*innen und Skipper teilten uns fleißig ein. Nachdem das Wetter so schön mitspielte, fand man uns ziemlich bald an Deck liegend die Sonne tankend und den lachenden Möwen lauschend. In Eckernförde empfing man uns mit vielen kuriosen Blicken, und hier packte ich auch schon zum ersten Mal mein Logbuch aus, denn jede*r von uns hatte ein eigens personalisiertes Logbuch erhalten um unsere Erinnerungen festzuhalten. Als die nautischen Meilen eingetragen waren begaben wir uns auf eine erste Entdeckungstour durch die Stadt und auch am Strand konnte man die ganze Nacht lang 32er sehen.
Am nächsten Tag, nach unserem kurzen Zwischenstopp in Deutschland, machten wir uns auf den nicht allzu langen Weg nach Dänemark. Aufgrund des windstillen und sonnigen Wetters wurden die Segel an diesem Tag nur zur Dekoration ausgepackt. Vor dem Mittagessen durften wir sogar vom Schiff aus schwimmen gehen. Der*die eine oder andere traute sich auch sich mit einem Tau Richtung Meer zu schwingen und von den sanften Wellen aufgenommen zu werden. Ich bin zwar nur über die wackelige Leiter ins Meer gestiegen, doch das Wasser war ziemlich kalt, auch wenn laut meinem Logbuch die offizielle Aussage war: “Es geht eh voll!”. Es sollte der letzte sonnige und windstille Tag dieser Woche sein und so schnell konnten wir nicht schauen, schiffte die Hendrika Bartels in Sønderborg ein. Sønderborg ist eine wirklich schöne Stadt mit sehr süßen kleinen Häusern. Vor allem die schöne Promenade mit den bunten Häuschen und dem guten Eis hatten es uns angetan. Am Abend war der schöne Sandstrand unsere Bühne, als wir mit Gitarre und unseren Stimmen die dänische Nacht und uns selbst verzauberten.
Am nächsten Tag gab es das erste Mal stürmisches Wetter und die Wellen waren teilweise so hoch, dass sie auf das Deck schwappten. Unsere Schiffe schaukelten und den ganzen Tag über verschwanden manche von uns entweder in die Kajüten oder raus aufs Deck um unsere Bäuche zu beruhigen. Aber es war aufregend, mitten in der Ostsee zu sein, umgeben vom unruhigen Meer, guten Freunden und sehr viel Joghurt.
Mittlerweile war auch unsere eigens angefertigte Erprobungskarte in fast jeder Hand zu finden und den ganzen Tag über wurden Erprobungen abgelegt um die begehrten Schäkel zu ergattern. Erprobungen wie Segel trimmen, Boot schaukeln (ja es ist möglich, es gibt mindestens fünf verschiedene Varianten, wir haben sie alle ausprobiert), Schiff verschönern & Nackt- oder Nachtschwimmen gehen hielten uns den ganzen Tag auf Trab und wir hatten viel Spaß uns gegenseitig Erprobungen unterschreiben zu dürfen. Die Schäkel auf meinem Schlüsselbund und Halstuch erinnern mich täglich an unsere Zeit an Board.
So ging es voran auf unserem Törn. Wir verbrachten unsere Tage mit Kochen, Essen, Erprobungen und guten Unterhaltungen. Am Weg von Faaborg nach Marstal durften wir auch auf die Masten klettern und den ganzen Tag konnte man 32er hoch über dem schwankenden Deck der Hendrika Bartels beobachten, umgeben von Sturm und atemberaubenden Ausblicken. Es waren Momente wie diese, in denen wir uns wie Piraten fühlen konnten. Im ruhigen Marstal besuchten wir auch das Søfartsmuseum, das riesige Schifffahrtsmuseum. Landkrank taumelten wir durch das Museum, interessiert die Geschichte der Seefahrt lernend.
In Søby, unserem vorletzten Stopp, fand unser Piratenball statt. Ich denke es ist nicht übertrieben wenn ich sage, dass dieser Ball nicht in Vergessenheit geraten wird. Es war eine tolle und lustige Nacht, und hier und da erspähte man auch Pirat*innen. Mit einem Walzer eröffnet, war es die perfekte Möglichkeit um den wahrscheinlich ersten Ball im Saloon der Hendrika zu feiern. Für mich persönlich ist nicht nur der Ball eine wichtige Erinnerung an die kleine verlassene Stadt auf der Insel Ærø. Nur kurz vor dem Ball entdeckten eine meiner besten Freundinnen und ich einen Ort, der für uns für immer einer der schönsten Orte sein wird. Streunend durch das Städtchen folgten wir einem Schild, welches uns auf die andere Seite der Insel brachte. Wir waren sprachlos als wir den Strand, die grüne hügelige Landschaft und das weite Meer entdeckten. Wir konnten nicht mehr machen, als einfach nur die Luft zu atmen und jedes Detail in unseren Köpfen zu speichern. So beeindruckt waren wir, dass wir innerhalb einer Stunde mit unseren besten Freundinnen sofort wieder zurückkehrten um noch einmal den monumentalen Frieden dieses Ortes aufzusaugen.
Kappeln, eine Stadt in Deutschland, war unser letzter Stopp bevor es zurück nach Kiel ging. Am Weg dorthin war es so windig, dass wir sogar 7 Knoten mit unseren Schiffen erreichten. Die Stimmung war weiterhin sehr gut, wir hatten einfach eine schöne Zeit miteinander. Gerade deshalb war unser letzter Abend an Board gefühlt etwas anders als die anderen. Ich würde vermuten, dass viele von uns spürten, dass unser Törn, und damit auch unsere tolle Zeit, dem Ende zuging. Aufgrund dessen packten wir alle am letzten Tag nochmal kräftig an, entweder beim Hissen und Packen der Segel oder beim Grundputz der Schiffe. Aufbruchstimmung machte sich breit als wir durch das noch einmal stürmische Meer segelten und Kiel ansteuerten. Nach 178,8 nautischen Meilen auf der Ostsee (wobei 1 nautische Meile = 1852 Meter entspricht) kehrten wir nach Kiel zurück. Nachdem wir uns von unserer tollen Crew verabschiedet hatten standen wir nun Hand in Hand im Hafen von Kiel, wo wir eine Woche zuvor voller Vorfreude unsere Schiffe zum ersten Mal sahen, in unseren Uniformen und Halstüchern dem Wind trotzend, um uns voneinander und von der Ostsee zu verabschieden. Ich hoffe ich spreche für uns alle wenn ich sage, dass das Verankert ’21, unser Lager zum Jubiläum unserer Gruppe, ein wirklicher Erfolg und eine unvergessliche Zeit war die in die Geschichte unserer Pfadfindergruppe eingehen wird.
Ich muss zugeben ich bin, treu gemäß des Namens unseres Segeltörns, etwas verankert in meinen Erinnerungen an das Meer und die Reise durch die Ostsee. Mit alten und neuen Freunden über das Meer zu schippern war eine Zeit, die ich nicht mehr missen möchte. Ich bin mir sicher es geht vielen von uns so. Am Rückweg von Kiel nach Wien, schwankend im Nachtzug, träumte ich schon von meiner Rückkehr an versteckte Strände auf kleinen Inseln.